(Autor: Helge Fauskanger - Übs: Brigitte Raßbach)
Blau geschriebene Abschnitte sind abgeändert, um sie an die deutsche Grammatik anzupassen!
Es ist an der Zeit, eine der wirklich ökonomischen Erfindungen der Sprache einzuführen, die Pronomen. (Wenn sie exakt wissen, was ein Pronomen ist, und auch Bescheid wissen über die drei verschiedenen "Personen", in die Personalpronomen eingeteilt werden, scrollen Sie bitte abwärts, bis Sie zu dem Wort Quenya in rot kommen. Ich will hier niemandes Zeit verschwenden!)
Das Wort "Pronomen" ist eine Offenbarung:
es bedeutet einfach "für ein Hauptwort", pro Nomen. Pronomen
(Fürwörter) sind Wörter (oder Endungen), die ein Hauptwort ersetzen können,
und beziehen sich oft auf ein bereits erwähntes Hauptwort. So müssen Sie das
Nomen selbst nicht ständig wiederholen. Pronomen stellen eine Art gesprochenen
Abkürzung dar, retten die Sprache vor totaler Langeweile. Dank den Pronomen
können Englisch- und Deutschsprachige eine Konversation mit anderen
aufrechterhalten, ohne endlos den Namen des anderen wiederholen zu müssen,
jedesmal wenn er erwähnt wird; statt dessen dient das Pronomen du als
Ersatz. Statt dass man sagen muss "die ebengenannte Gruppe" oder
"die Menschen, über die gerade geredet wird", steht Sprechern im
Englischen und Deutschen das kurze, forsche Wort sie zur Verfügung. Und
stellen Sie sich vor, wie sie es bewerkstelligen wollten, sich auf Sie selbst zu
beziehen ohne das Pronomen Ich. Wendungen wie "diese Person"
oder "der / die, der / die gerade spricht" werden wirklich schnell
langweilig.
Es gibt verschiedene Arten von Pronomen (sogar fragende wie
"wer"), aber die am häufigsten zu findenden sind die Personalpronomen,
auf die ich mich in dieser Einführung konzentrieren will. Üblicherweise sind
sie in drei verschiedene "Personen" aufgeteilt (nicht dass sich die
betroffenen Pronomen nur auf fühlende Wesen beziehen; in diesem Zusammenhang
ist "Person" einfach ein etablierter Ausdruck für eine Klasse von
Pronomen). Im Englischen und Deutschen kommt bei dieser traditionellen
Dreiteilung eine Einteilung etwa wie die folgende zustande:
![]() |
ERSTE PERSON (Bezug auf sich
selbst oder die eigene Gruppe): |
![]() |
ZWEITE PERSON (direkt adressiert an eine
andere Person oder Gruppe): |
![]() |
DRITTE PERSON:(Bezug auf eine andere
Person oder Gruppe): |
Während das Konzept dieser drei
"Personen" als solches in den Sprachen der Welt fast universal ist,
ist es ziemlich willkürlich, welche anderen Unterscheidungen Sprachen in ihren
Pronomentafeln bilden. Das System ist auch nicht notwendigerweise symmetrisch -
sicher nicht im Englischen und Deutschen. Das Englische wie das Deutsche werden
sehr pedantisch, wenn es an die dritte Person Einzahl geht. Hier
müssen Sie er benutzen, wenn Sie sich auf ein männliches Nomen
beziehen, sie bei einem weiblichen, und es, wenn Sie sich auf ein
Neutrum beziehen.
Solche haarspalterischen Diskussionen werden im englischen und deutschen
Pronomensystem nicht überall gemacht, und bestimmte andere Sprachen verzichten
darauf. Finnisch, immer relevant für diese Studien, weil es für Tolkiens
Quenya-Inspriationen an erster Stelle stand, kennt nur ein einziges Wort (hän)
für "er" und "sie": die Finnen kommen gut zurecht ohne
diese Unterscheidung. Andererseits gehen andere Sprachen noch weiter als
Englisch und Deutsch. Die Hebräer zum Beispiel hielten die Unterscheidung
zwischen männlich und weiblich für so interessant, dass sie es nicht für
ausreichend hielten, für "er" und "sie" verschiedene
Wörter zu haben. Hebräisch hat auch verschiedene Wörter für "du" (atta,
wenn man mit einem Mann spricht, att wenn man sich an eine Frau richtet);
die Sprache überträgt das Prinzip auch in den Plural mit verschiedenen
Wörtern für "sie" (hem mit Bezug auf eine Gruppe von
Männern, aber bei Bezug auf eine Gruppe von Frauen steht für
"sie" henna [modernes Israeli hen]... so wie ich es
verstehe, bezieht man sich auf eine gemischte Gruppe mit dem maskulinen
(männlichen) Ausdruck hem, und dann bleibt es uns selbst überlassen,
uns zu fragen ob eine Gruppe mit 10.000 Frauen und 1 Mann immer noch hem
wäre an Stelle von henna).
Wie sieht das also in Quenya
aus? Welche Unterscheidungen bei den Pronomen ließ Tolkien die Elben machen? Es
ist etwas schwierig, etwas Definitives über das System der Pronomen in Quenya
zu sagen. Selbst jetzt, mit einer enormen Menge an Material, das uns Schülern
noch nicht verfügbar ist, können wir schon sicher sagen, dass die Pronomen von
Tolkiens Elbensprachen ziemlich "instabil" sind - vielleicht noch mehr
als viele andere Aspekte seiner linguistischen Konstukte, die sich immer im
Fließen befanden. Die Pronomentafeln scheinen zahllosen Revisionen unterzogen
worden zu sein, und manche glauben, dass Tolkien nicht wirklich jedes Detail
ausarbeitete (ich persönlich glaube, er tat es - das Problem ist eher, dass er
es so oft tat!).
Wir wissen, dass das Pronomensystem von Quenya, wie es Tolkien in seinen
älteren Jahren vorschwebte, einige Unterscheidungen macht, die in den
englischen (und deutschen) Regeln nicht ausgedrückt werden. Zum einen gibt es,
da Quenya als Ergänzung zum Singular und Plural eine duale Form des
Hauptwortes kennt, zumindest auch einige duale Pronomen. So finden wir in der 1.
Person nicht nur Einzahl "ich" und Mehrzahl "wir", sondern
auch ein anderes duales Pronomen der Bedeutung "du und ich" oder
"wir beide". Eine andere feine Unterscheidung wird bei dem Wort für
"wir" gemacht: In Quenya gibt es unterschiedliche Wortendungen für
"wir", je nachdem ob die Partei, an die es gerichtet ist,
eingeschlossen ist in das "wir" oder nicht. Andererseits scheint es,
dass Quenya nicht immer die Unterscheidung zwischen "er",
"sie" und sogar "es" aufrecht erhält; all dies könnte mit
einem einzigen Pronomen abgedeckt werden.
Mit Fortschreiten dieses Kurses werden wir verschiedene Teile der Pronomentafel
und verbundene Unklarheiten behandeln, und auch zu den speziellen
Unterscheidungen bei den Pronomen in Quenya zurückkehren. Doch lassen Sie uns
jetzt einige Pronomen einführen.
Eines sollte verstanden sein: in Quenya erscheinen
Pronomen typischerweise als Endungen, seltener als unabhängige Wörter.
(Wo ein Quenya-Pronomen als einzelnes Wort auftaucht, ist es oft betont - mit
demselben Effekt wie hier das deutsche Pronomen : "Du [und niemand
sonst] tat es." Auf die unabhängigen Pronomen werden wir später
zurückkommen.) In den letzten Zeilen des Namárië finden wir das Wort
hiruvalyë, von Tolkien übersetzt mit "thou shalt find" ("du
wirst finden"). Wenn Sie sich durch alle Übungen gearbeitet haben, werden
sie sich an die Form hiruva erinnern, die Zukunftsform von hir-
"finden". Dieses hiruva "wird finden" erscheint hier
mit der angehängten Pronomenendung -lyë, die das Subjekt zu dem
Verb bezeichnet. Diese Endung gehört zu der 2. Person und bezeichnet "thou"
- "du": somit also hiruvalyë ="thou shalt find" oder
"du wirst finden": Das Suffix -lyë kann an jedes Verb
angehängt werden, um anzuzeigen, dass das Subjekt "du" ist.
Mit der Erwähnung dieses Pronomens laufen wir aber in unmittelbare Dunkelheit,
eine Situation, die in der wir uns oft wiederfinden bei der Behandlung der
Pronomen in Quenya. Es ist unklar, ob die Endung -lyë Singular und
Plural "du", "ihr" abdeckt; im Namárië ist es
Einzahl, wie die Übersetzung "thou" zeigt. In einer von Tolkiens
Entwürfen zu den Anhängen für HdR schrieb er wirklich, dass die Elbensprachen
nicht zwischen Einzahl "du" und Mehrzahl "ihr"
unterscheiden: "Alle diese Sprachen ... kennen, oder kannten, keine
Unterscheidung zwischen Singular und Plural bei den Pronomen der 2. Person; aber
sie kannten eine klare Unterscheidung zwischen den familiären Formen und
den höflichen" (PM:42-43). Die Endung -lyë, die Galadriel
benutzt gegenüber einem relativ Fremden wie Frodo, scheint ein höfliches
"du" zu sein (wir Deutsche würden hier die 3. Person Plural benutzen:
"Sie"). Im Namárië ist es somit benutzt als Einzahl
"du", nur eine Person ist angesprochen, aber laut PM:42-43, das wir
eben zitiert haben, kann es ebenso gut der Plural "du" sein (wenn alle
Mitglieder der Ringgefährten Quenya verstanden hätten, so hätten sie sich
nicht sicher sein können, ob Galadriel sie alle meinte oder nur Frodo).
Doch in dem Essay Quendi and Eldar, geschrieben ungefähr ein Jahrzehnt
nach der Veröffentlichung des HdR bringt Tolkien die Existenz von
Pronomenendungen ein, die eine Unterscheidung zwischen Einzahl und Mehrzahl
"du" und "ihr" machen (WJ:364). Hier bezog er sich auf
"reduced pronominal affixes of the 2nd person", "reduzierte
Pronomenendungen der 2. Person", angedeutet als -t im Singular und -l
im Plural. Dieses -l könnte gut eine "reduzierte" Form von -lyë
sein und wäre dann der Plural "ihr". Auch wenn es so
ist, verwendete Tolkien unbestreitbar diese Endung für die Einzahl "du"
im Namárië, denn er übersetzte es im HdR mit "thou". Diese
kürzere Endung -l ist auch belegt als Teil des Verbs hamil
"du richtest" (VT:42:43), und das kann ebenso betrachtet werden als
Einzahl "du", obwohl der Kontext in keiner Weise schlüssig ist. Es
scheint, als ob Tolkien in der zweiten Hälfte der Fünfziger das Pronomensystem
neu überdacht hat. Die Aussage, die er in dem Entwurf für die Anhänge des HdR
gemacht hat darüber, dass Elbisch Ein- und Mehrzahl "du" und
"ihr" nicht unterscheidet, schaffte es nicht in den veröffentlichten
HdR. Deshalb wäre er dadurch nicht gebunden gewesen. (Wann immer wir uns mit
Material beschäftigen, das nur posthum veröffentlicht wurde, können wir
niemals sicher sein, dass die enthaltene Information gänzlich
"kanonisch", anerkannt ist: Der Autor konnte jederzeit seine Meinung
ändern, und er tat das oft, vor allem hinsichtlich seiner Sprachen.)
Tolkien hatte offensichtlich entdeckt, dass Quenya nach allem unterschiedliche
Pronomen für die Einzahl "du" und den Plural "ihr" besitzt.
Vielleicht lautet die neue Idee (ca. 1960) wie folgt: -lyë und
die kürzere Variante -l wären wahrscheinlich der Plural
"ihr", aber er wird auch als höfliche Einzahl verwendet, siehe
die Übersetzung "thou" im Namárië. Die Idee, eine
einzelne Person anzusprechen als wäre sie oder er mehrere Leute, könnte eine
Art des Respekterweises sein, indem es die Bedeutung des anderen betont.
Parallelen findet man in anderen Sprachen unserer eigenen Welt (siehe unser
deutsches "Sie" als höfliche Anrede). (Eine frühere britische PM
übertrug dieses System von der 2. Person in die erste und sprach von sich
selbst im Plural von "wir" anstelle von Einzahl "ich",
offensichtlich um ihre eigene Bedeutung hervorzuheben. Natürlich benutzten die
Königshäuser diesen linguistischen Einfall über Jahrhunderte - und wenn wir
dabei sind, auch der Autor dieses Kurses bezieht sich manchmal auf sich selbst
als "wir"! Aber in Wirklichkeit neige ich dazu, den Leser in dieses
"wir" einzubeziehen, so dass Sie unverdienterweise einiges Zutrauen
erhalten in die schrittweise Entwirrung der Quenya-Grammatik, die
"wir" hier unternehmen...) Was das englische "thou" im
Gegensatz zu "you" angeht, schrieb Matthew Skala in der Elfling-Liste
(4. Januar 2001):
"Thou" ist 2. Person Singular, und "you" ist 2. Person Plural, mit der zusätzlichen Regel, dass es in formalen Kontexten höflich ist, Plural auch dann zu benutzen, wenn man mit einer einzelnen Person spricht. So wie im Französischen "tu" (Einzahl / informell) und "vous" (Mehrzahl / formell). Im Englischen wurde es Standard, "you" sowohl für Ein- als auch Mehrzahl zu verwenden, unabhängig von der Höflichkeit, aber das ist eine jüngere Erfindung; bis vor 100-200 Jahren benutzten Englischsprachige "thou" in informellen Zusammenhängen. Die bizarre Situation heute entstand durch diesen historischen Wechsel, die meisten von uns begegnen "thou" nur in historischen und formalen Kontexten, wie der Bibel... und deshalb wirken Sie jetzt, wenn Sie es benutzen, als wären Sie besonders formal und höflich.
Es mag also sein, dass das -lyë
oder -l in Quenya korrespondiert mit dem ursprünglichen Gebrauch
des englischen "you", bevor der historische Wechsel stattfand, den
Skala beschreibt - aber wegen dieses Wechsels könnte F-l(yë), benutzt
als höfliche Einzahl, nun wiedergegeben werden als "thou", wie es
Tolkien in HdR übersetzt hat.
Um zusammenzufassen: die Endung -(lyë) kann möglicherweise
benutzt werden für die Einzahl "du", und es ist wahrscheinlich
eher eine höfliche Form als eine familiäre/vertraute. Es kann sein,
dass l(yë) auch den Plural "Ihr" abdeckt, das
ist vielleicht sogar seine saubere Bedeutung, aber das ist der Punkt, wo die
Dinge etwas unklar werden. Tolkien änderte vielleicht seine Meinung hin und
zurück hinsichtlich der Details. In den folgenden Übungen habe ich einfach das
neutrale Wort "you" als Äquivalent von -l(yë) benutzt (in
der deutschen Übersetzung verwende ich die Formulierung du/ihr). Dann
ist es unmöglich, etwas falsch zu machen.
UPDATE, Februar 2003: Amen mir selbst! Seit ich das obige schrieb, kam mehr Material an die Oberfläche. Laut VT43:36 kennt (eine Version von) Quenya -lyë als Endung für einen eigenen Singular "du" ("you" oder "thou"), die Endung für den Plural "ihr " ist stattdessen -llë. Dachte Tolkien also mit der Folgerung, dass -l eine "reduzierte" Pronomenendung für den Plural "ihr" sei, tatsächlich an die verkürzte Form von -llë? Dann natürlich scheint das -l in dem Beispiel hamil "du richtest" Einzahl zu sein. Stimmen die Singularendung -lyë und die Pluralendung -llë in der verkürzten Endung -l überein, die sowohl Singular als auch Plural abdeckt, wie das englische Pronomen "you"? Dachte Tolkien wirklich immer bei der Endung -lyë nur an die Einzahl "thou", oder könnte es ebenso der Plural "you", "Ihr", sein? Die eine anerkannte "Tatsache" in dem Sprudelbad von fließenden Konzeptionen ist, dass die Endung -lyë (kurz -l) übersetzt werden kann als "thou" und "you (ihr)"! Schreiber, die einen eigenen Plural "ihr" wollen, mögen die Endung -llë für diese Bedeutung in Betracht ziehen, aber die Übungen, die ich für diesen Kurs machte, verwenden immer noch nr -l(yë) mit der "neutralen" Übersetzung "you" (leider im Deutschen nicht ganz so neutral und deshalb mit "du/ihr" übersetzt)! Somit kann man nichts falsch machen...
Wir scheinen richtig in die 2. Person eingetaucht zu sein; lassen Sie uns zurückkehren zu der 1. Person. In der 1. Person Einzahl liegen die Dinge glücklicherweise kristallklar (gut, zumindest fast). Das Pronomen "ich" wird am häufigsten mit der Endung -n wiedergegeben. (Linguisten haben bemerkt, dass in den Sprachen der Welt der Ausdruck für "ich, mich" bemerkenswert oft einen nasalen Laut wie N oder M einschließt. Welche subtilen Charakteristika der menschlichen Psychologie diesem Phänomen auch zugrunde liegen mögen, Tolkien scheint diese Assoziation gemocht zu haben, und arbeitete sie in verschiedene seiner Sprachen ein. Vgl. Sindarin im = "ich".) Beachten Sie, wie die Endung -n an die Verben utúlië (Perfekt von tul- "kommen") und maruva (Zukunft von mar- "bleiben, wohnen") in Elendils Erklärung angefügt wird:
Et Eärello Endorenna utúlien = "Aus dem Großen Meer bin ich nach Mittelerde gekommen"
Sinomë maruvan = "An diesem Ort werde ich bleiben".
Doch die Endung -n für "ich" taucht auch in einer längeren Variante auf, -nyë. (Wie oben angemerkt hat die Endung -lyë für "du/ihr" eine kürzere Variante -l; die Variation -nyë vs. -n für "du/ihr" ist parallel). Diese längere Variante ist in einem Wort zu sehen, das wir in dieser Lektion schon einmal erwähnt hatten, die Form utúvienyes! "Ich habe ihn gefunden" - Aragorns Ausruf, als er den Schößling des Weißen Baumes gefunden hatte. Das Wort utúvië, offensichtlich das Perfekt eines Verbes tuv- "finden", erscheint hier mit zwei Pronomen-Endungen. Die erste von ihnen, -nyë oder "ich", bezeichnet das Subjekt zu dem Verb: Utúvie-nyë "habe gefunden + ich" = "ich habe gefunden". Doch auf das -nyë folgend haben wir noch eine weitere Pronomenendung, die Endung für die 3. Person Singular, -s mit der Bedeutung "es". Somit wurde ein ganzer Satz aus Verb, Subjekt und Objekt in ein einziges Wort projiziert: utúvienyes = "Ich habe es gefunden.
ANMERKUNG: Beachten Sie, dass nach unseren Vereinbarungen zur Schreibweise, die wir hier benutzen, das finale -ë die Diärese verliert, wenn eine Endung angefügt wird und es nicht länger final ist: utúvië + nyë = utúvienyë und nicht utúviënyë: mit dem Anfügen des -s an utúvienyë wird daraus wiederum utúvienyes und nicht utúvienyës. Das ist aber nur eine Frage der Schreibweise und dient der Erinnerung, dass das finale e sauber ausgesprochen werden muss - was man im Deutschen eigentlich überhaupt nicht eigens betonen müsste. Ich (die Übersetzerin) behalte es dennoch bei, weil es der allgemeinen Schreibweise in der überwiegend englischen Literatur über Quenya entspricht und der Leser sich dann nicht umstellen muss. Im HdR beispielsweise ist die Diärese ebenfalls weggelassen.
Wir können diese grammatikalische
Regel abstrahieren. wenn ein Verb zwei Pronomen-Endungen erhält,
eine, die das Subjekt bezeichnet, und eine zweite für das Objekt, dann wird
zuerst die Subjektendung angefügt und als nächstes die Objektendung. In
dem veröffentlichten Material gibt es zwei oder drei andere Beispiele
dafür, neben utúvienyes.
Es ist dann auch offensichtlich, warum hier die lange Form -nye-
bevorzugt ist. Während utúvien nett wäre für "ich habe
gefunden", könnte die Objekt-Endung -s "es" nicht an
die kurze Endung -n angehängt werden, da **utúviens kein
mögliches Quenyawort darstellt. Somit können wir eine weitere Regel
formulieren: Die lange Form -nyë (-nye-), und nicht das kurze
-n, muss für "ich" verwendet werden, wenn eine andere
Pronomenendung folgt. (Ähnlich müssen Sie für "du/ihr"
die lange Endung -lyë (-lye-) und nicht die kurze Form -l
verwenden, wenn eine zweite Pronomenendung angefügt werden soll: "Du
hast / ihr habt gefunden" könnte utúviel oder utúvielyë
sein, aber "du hast / ihr habt es gefunden" muss utúvielyes
heißen, da **utúviels unmöglich wäre.)
Die lange Endung -nyë "ich" könnte auch dann
auftauchen, wenn kein Pronomen für ein Objekt folgt (wie auch die lange
Form für "du/ihr", vgl. hiruvalyë "du wirst
finden" im Namárië). Die Form linduvanyë
"ich werde singen" taucht auf den Titelbild der zweisprachigen
französischen Ausgabe von Die Abenteuer des Tom Bombadil von 1975
auf (ISBN 2-264-00913-6). Das Titelbild zeigt eine Manuskriptseite von
Tolkien, einschließlich einiger kurzer linguistischer Notizen. (Taum
Santoski, der diese Notizen in dem Beyond Bree-Newsletter vom Oktober
1985 analysierte, las diese Form als "linduvanya" - aber wie von
Carl F. Hofstetter herausgestellt beabsichtigte Tolkien stattdessen
wahrscheinlich "linduvanye" stattdessen. Tolkien konnte
wundervolle Kalligraphien erstellen, aber seine normale Handschrift ist oft
eine Herausforderung für jene, die sie übertragen!) So lange keine zweite
Pronomenendung folgt, ist es offensichtlich völlig freigestellt, ob man
für "ich" die lange Endung -nyë benutzt oder die
kurze -n. Wir finden die lange Endung in linduvanyë
"ich werde singen", aber Elendils Erklärung benutzt die kurze
Endung bei maruvan "ich werde bleiben". Sicher könnten
diese Beispiele vertauscht werden zu linduvan und maruvanyë
mit exakt derselben Bedeutung.
Es scheint jedoch, dass die kurze Endung -n verbreiteter ist als die
längere Endung -nyë. Wir sind diesem -n schon bei
verschiedenen Verben begegnet, so wie polin "ich kann", tirin
"ich wache" in der vorangegangenen Lektion. Tolkien zitiert
Primärverben wie diese sehr oft, listet sie auf, wie sie in der 1. Person
Aorist erscheinen (mit der intakten Endung -i-, da ihr eine weitere
Endung folgt, sie damit nicht final ist und nicht zu -ë
wird). Tirin ist ein Beispiel, das tatsächlich in den Etymologies
(Eintrag TIR) zu finden ist, aber bei den Standards dieses Feldes
gibt es reichlich Beispiele: carin "ich mache, bilde"
(Eintrag KAR), lirin "ich singe" (GLIR) oder
"leiere" (LIR1), nutin "ich binde
fest" (NUT), nyarin "ich erzähle" (NAR2),
rerin "ich säe" (RED), serin "ich
ruhe" (SED), sucin "ich trinke" (SUK), tamin
"ich poche, klopfe" (TAM), tucin "ich
zeichne" (TUK), tulin "ich komme" (TUL),
turin "ich regiere, führe" (TUR), tyavin
"ich schmecke" (KYAP), vilin "ich fliege"
(WIL), umin "ich tue nicht" (UGU/UMU). Die
Form polin "ich kann" (VT:41:6) ist eine von mehreren
Beispielen aus Quellen nach dem HdR. Wahrscheinlich wäre es in keinster
Weise falsch, stattdessen die lange Endung -nyë zu benutzen
(z. B. polynië), aber -n ist die verbreitetste Endung
in dem veröffentlichten Korpus. Aber speziell für den Gebrauch in der
Dichtung ist es oft praktisch, zwischen zwei Pronomenendungen, einer langen
und einer kurzen, wählen zu können, so dass man eine Silbe einfügen oder
weglassen kann, wenn das Versmaß es verlangt.
Beachten Sie auch, dass die Endung -nyë ebenso wie -lyë
für "du/ihr" zur Folge hat, dass die Betonung auf die Silbe vor der
Endung fällt, da ny und ly hier als Konsonantenhäufung zählen.
Vergleichen Sie die Regeln zur Betonung, die in Lektion 1 dargelegt sind. Wenn hiruvanyë
"ich werde finden" (mit der Betonung auf dem a) in ihrem
Gedicht nicht gut klingt, können Sie immer die kurze Form hiruvan verwenden,
und die Betonung landet dann statt dessen auf dem i in der ersten Silbe.
(Wieder haben wir wohl dasselbe System in der 2. Person: Es ist durchaus
möglich, dass Tolkien im Namárië hiruvalyë
statt der kürzeren Form hiruval schrieb, einfach weil die erste
Variante besser in das Versmaß passte.)
Was die Endung -s mit der Bedeutung "es" angeht, die als
Pronomen in utúvienyes "ich habe es gefunden" auftaucht,
so scheint es, dass sie auch als Subjekt benutzt werden kann. Wenn polin
zum Beispiel heißt "ich kann", müssen wir annehmen, dass "es
kann" polis heißen würde. Doch die Endung -s bringt uns zur
3. Person mit ihrem eigenen Satz an Unklarheiten, die wir uns für später
aufsparen (Lektion 15). In den Übungen unten wird -s auf dieselbe Weise
benutzt wie in dem Beispiel utúvienyes: angehängt an eine andere
Pronomenendung, um das Objekt des Verbs zu bezeichnen (einfach wie die
erste Endung, die an das Verb angehängt wird, um das Subjekt bezeichnen.)